Einparteien-Mediation (One-Party-Mediation)
Nicht jeder Konflikt lässt sich im direkten Dialog klären – manchmal fehlt es einer Seite an Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Doch was geschieht, wenn nur eine Partei aktiv auf eine Lösung hinarbeiten möchte? Dieser Gastbeitrag von Ulrike Lassmann widmet sich der Frage, wie Mediationsprozesse gestaltet werden können, wenn lediglich eine Konfliktbeteiligte gesprächsbereit ist. Dabei wird deutlich, dass auch ohne Beteiligung der zweiten Partei und unter bestimmten Voraussetzungen sowie mit professioneller Begleitung ein konstruktiver Weg zur Konfliktbearbeitung möglich ist.
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Einseitige Gesprächsbereitschaft – und nun?
In einer Mediation werden Konflikte normalerweise mit zwei bis mehrere Parteien bearbeitet. Was aber, wenn in einem Streit eine der beiden Seiten, z.B. Frau Schneider, den Konflikt klären und beilegen möchte, vielleicht mit externer Hilfe einer Mediatorin/eines Mediators, die andere Seite, z.B. Herr Bittner, sich jedoch einem Gespräch verweigert?
Frau Schneider versucht vermutlich zunächst, auch mit Unterstützung der Mediatorin, Ängste und Vorbehalte bei Herrn Bittner auszuräumen oder zu verringern, so dass eine klassische Zweiparteien-Mediation stattfinden könnte. Und doch – was, wenn Herr Bittner (zum jetzigen Zeitpunkt) nicht bereit ist, an einer Mediation teilzunehmen und auch das Angebot eines ersten Informationsgesprächs mit der Mediatorin ablehnt?
Ein Ansatz für Frau Schneider, die eine Klärung und Bewältigung des Konflikts anstrebt, kann eine Einparteien-Mediation sein.
Ablauf und Struktur der Einparteien-Mediation
Die Idee hierbei ist, dass die Konfliktbearbeitung mit nur einer Konfliktpartei (Mediand:in) und der Mediatorin erfolgt. Frau Schneider wird von der Mediatorin dabei begleitet, die eigenen Anliegen und Motive zu klären, durch unterschiedliche Perspektiven auch die von Herrn Bittner zu beleuchten und ihre eigene Konfliktkompetenz auf- oder auszubauen.
Struktur und Ablauf einer klassischen Mediation bleiben unverändert und anstelle der zweiten Partei, Herrn Bittner, tritt ein „leerer Stuhl“.
Die Phasen von Einstieg, Themensammlung, Klärung von Interessen und Anliegen, Lösungssuche und -auswahl bleiben im Wesentlichen erhalten. In jedem Schritt wirkt die Mediatorin darauf hin, dass die (imaginäre) Konfliktseite eingebunden und gesehen wird. Sie unterstützt Frau Schneider durch entsprechende Fragen darin, sich in die andere Seite hineinzuversetzen und den Konflikt auch aus Sicht von Herrn Bittner zu beleuchten. Dabei greift die Mediatorin auf dieselbe Methodik und systemischen Fragen zurück wie bei einer klassischen Mediation.
In der Lösungsphase geht es zunächst darum, die nächsten Schritte für Frau Schneider zu entwickeln. Wie in den Phasen vorher arbeitet die Mediatorin auch hier mit Frau Schneider darauf hin, die Rolle und Sicht von Herrn Bittner zu berücksichtigen: wie würde er auf dieses oder jenes reagieren, ist die Lösung auch für ihn akzeptabel, was bedeutet sie für ihn? Je nachdem werden mit Frau Schneider einzelne Maßnahmen und konkrete Schritte besprochen. Frau Schneider hat jetzt für sich einige Ideen erarbeitet und weiß, wie sie auf Herrn Bittner zugehen will. Ein Follow-up Termin einige Zeit nach der Abschlussvereinbarung wird natürlich wie auch in der Zweiparteien-Mediation angeboten.
Die Rolle von Mediator:innen
Neutralität: Die Mediatorin ist – wie in jeder Mediation – unabhängig und neutral. Sie begleitet zunächst nur eine Konfliktpartei durch strukturierte Fragen und achtet dabei konsequent auf die Einhaltung professioneller Grundprinzipien.
Berücksichtigung der abwesenden Partei: Auch wenn die andere Konfliktpartei (z. B. Herr Bittner) nicht anwesend ist, werden ihre möglichen Interessen und Perspektiven durchgehend mitgedacht. Die Mediatorin bleibt allparteilich und stellt gezielte Fragen, die einen Perspektivwechsel ermöglichen.
Allparteilichkeit: Die Mediatorin bleibt allparteilich und stellt gezielte Fragen, die einen Perspektivwechsel ermöglichen.
Vor allem durch die Struktur des Mediationsverfahrens und die allparteiliche Haltung der Mediatorin unterscheidet sich eine Einparteien-Mediation vom (Konflikt-)Coaching, auch wenn die Grenzen sicher fließend sind.
Fazit: Die Einparteien-Mediation eignet sich besonders bei Konfliktsituationen, bei denen (zunächst) nur eine Seite gesprächsbereit ist. Auch wenn bisherige gemeinsame Streitbeilegungsversuche erfolglos waren, könnte eine Ein-Parteien-Mediation versucht werden. Denkbar wäre auch, dass Frau Schneider aus anderen Gründen den Konflikt zunächst für sich allein bewältigen möchte, z.B. um im Nachgang eines Streits eine Klärung für sich zu erzielen und das Konfliktgeschehen einfach besser zu verstehen (und zu verarbeiten).
Außerdem lassen sich durch eine Einparteien-Mediation anstehende schwierige Gespräche, ob im privaten Umfeld oder im Arbeitsleben, vorbereiten. Frau Schneider, die bereits mehrfach mit Herrn Bittner angeeckt ist, könnte so vorbereitend reflektieren, wie sie sich in künftigen Streitfällen verhalten möchte und könnte. Und auch die Planung komplexer Verhandlungssituationen lässt sich im Wege der Einparteien-Mediation unterstützen durch Klärung von Interessen auch abwesender Parteien, Perspektivwechsel und Lösungssuche für beide Seiten.
Wichtige Voraussetzung bei einer Einparteien-Mediation ist, dass der Mediand/ die Mediandin bereit ist, zuzuhören, unterschiedliche Perspektiven zu beleuchten und sich mit den eigenen Zielen und Interessen auseinander zu setzen.